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Introversion Persönlichkeit

Hochsensibel oder Introvertiert?

Corinna Behling
Corinna Behling |

Fühlst du dich oft von Reizen überwältigt? Brauchst du viel Zeit für dich allein, um wieder Kraft zu tanken? Viele beschreiben sich vorschnell selbst als „introvertiert“ oder „hochsensibel“, dabei sind diese beiden Wesenszüge nicht dasselbe.

Wenn du deine Herausforderungen wirklich verstehen willst, ist es entscheidend, den Unterschied zu kennen. Denn je nachdem, ob es sich um eine Frage deiner Energiequelle oder deiner Reizverarbeitung handelt, ist die Lösung für deine Erschöpfung eine andere.

Introversion: Der Kompass deiner Energie

Introversion ist ein klassisches Persönlichkeitsmerkmal. Es beschreibt, wo du deine Energie herholst.

Merkmal

Was es für dich bedeutet

Die Energiequelle

Du tankst auf, wenn du allein bist und dich mit deiner inneren Welt beschäftigst (Gedanken, Interessen, Kreativität).

Soziale Interaktion

Große Gruppen, laute Partys oder Small Talk sind anstrengend und zehren an deinem Akku. Du bevorzugst Tiefe und Bedeutung in Beziehungen.

Die Notwendigkeit

Dein Rückzug dient dazu, deinen inneren Akku aufzuladen und dich von der sozialen Interaktion zu erholen.

 

Kurz gesagt: Wenn du introvertiert bist, ist der Rückzug ein Bedürfnis zur Energiegewinnung.

Hochsensibilität (HSP): Dein tiefes Nervensystem

Hochsensibilität (HSP), wissenschaftlich als Sensorische Verarbeitungssensitivität (SPS) bekannt, ist ein biologisches Temperamentsmerkmal, das etwa 15 bis 20 % der Menschen betrifft1. Es geht darum, wie tief und intensiv dein Nervensystem Reize verarbeitet.

Das D.O.E.S.-Modell der Hochsensibilität (nach Dr. Elaine Aron)

  1. Depth of Processing (Tiefe der Verarbeitung): Du neigst dazu, alles gründlich zu analysieren und über das Normale hinauszudenken.
  2. Overstimulation (Übererregbarkeit): Du fühlst dich schneller überfordert – sei es durch Lärm, intensive Gerüche, viele Menschen oder Zeitdruck.
  3. Emotional Reactivity & Empathy (Emotionale Reagibilität & Empathie): Du empfindest Gefühle intensiver (deine eigenen und die anderer).
  4. Sensing the Subtle (Wahrnehmung von Feinheiten): Du bemerkst Details, Nuancen und Stimmungen, die anderen entgehen.

Kurz gesagt: Wenn du hochsensibel bist, dient der Rückzug der Reizregulation, weil die Informationsflut im Gehirn zu groß wird. Dein Nervensystem braucht Zeit, um alles zu sortieren.1

Die entscheidende Überschneidung: Introvertierte HSP

Hier liegt der Hauptgrund für die Verwirrung:

  • 70 % der Hochsensiblen sind tatsächlich introvertiert. Bei ihnen ist die Reizüberflutung (HSP) gekoppelt mit dem Wunsch, Energie im Alleinsein zu sammeln (Introversion).
  • Aber: 30 % der Hochsensiblen sind extravertiert! Sie lieben den Kontakt zu Menschen und suchen ihn aktiv. Dennoch sind sie genauso schnell überreizt wie ihre introvertierten Pendants und brauchen nach der Geselligkeit dringend Ruhe, um die vielen aufgenommenen Eindrücke zu verarbeiten.1

Der Unterschied im Kern: Du kannst introvertiert sein, ohne von sensorischen Reizen überwältigt zu werden. Aber als HSP wirst du von Reizen überwältigt – egal, ob du deine Energie nach innen oder außen richtest.

Wissen ist der erste Schritt, Übung ist der zweite.

Es ist eine enorme Erleichterung, die Unterschiede zwischen Introversion und Hochsensibilität zu verstehen. Du weißt jetzt, warum du dich in bestimmten Situationen so fühlst, wie du dich fühlst.

Aber seien wir ehrlich: In unserem stressigen Alltag vergessen wir dieses Wissen nur allzu schnell. Wir verfallen in alte Muster und ignorieren unsere Bedürfnisse, bis die Erschöpfung uns einholt. Wir wissen zwar, was wir tun sollten, aber wir müssen regelmäßig daran erinnert werden.

Genau dafür habe ich die folgenden Checklisten entwickelt. Sie dienen als dein persönlicher „Kurz-Check” und „Reminder” im Trubel des Alltags. Finde heraus, ob du gerade deinen Energie-Akku (Introversion) oder dein Reiz-Radar (Hochsensibilität) pflegen musst!

 

Du bist nicht allein – und du bist richtig, wie du bist.

Dieses Wissen ist der erste Schritt zur Selbstakzeptanz. Es ist weder eine Schwäche noch eine Krankheit, sondern ein angeborener Wesenszug.

Fühlst du dich von deinem intensiven Innenleben blockiert? Suchst du nach Wegen, deine Sensibilität als Stärke im Alltag, im Beruf oder in Beziehungen zu nutzen? Wenn du bereit bist, die Überforderung zu stoppen und deine Sensibilität als Superkraft zu entdecken, stehe ich dir als Coach sehr gerne zur Seite.

Ich helfe dir gerne dabei, individuelle Strategien für eine effektive Reizregulation und den Umgang mit deinem Energiehaushalt zu entwickeln.





1 Aron, E. N., & Aron, A. (1997). Sensory-processing sensitivity and its relation to introversion and emotionality. Journal of Personality and Social Psychology, 73(2), 345–368.

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